Für ein paar Minuten Abgeordneter sein

Bioinformatiker Martin Scharm (li) und Maschinenbauingenieur Tom Theile vor dem Berliner Reichstag. Foto: privat

Am 24. September wird ein neuer Bundestag gewählt. Da stellt sich für viele die Frage: “Welche Partei kann meine Positionen am besten vertreten?” Wer unentschlossen ist, kann sich zum Beispiel mit Hilfe von Wahlprogrammen oder dem Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) informieren.

Doch dieses Jahr gibt es eine neue Alternative, die derzeit in sozialen Netzwerken für Furore sorgt: DeinWal.de! Anders als bei ähnlichen Projekten blickt DeinWal in die Vergangenheit und verlässt sich nicht auf Absichtserklärungen der Parteien. Ähnlich wie beim Wahl-O-Mat können die Nutzer in einem Quiz 42 Fragen aus 12 Themengebieten beantworten, um in der Auswertung zu sehen, welche Partei am besten zur eigenen Position passt. Der Clou dabei: Die Fragen basieren auf den echten Abstimmungen, über die die Abgeordneten im Bundestag auch schon entscheiden mussten! DeinWal zeigt also, welche Partei die Vorstellungen des Nutzers am besten vertreten hat.

Für das Projekt haben die Rostocker Wissenschaftler Martin Scharm und Tom Theile in ihrer Freizeit mehr als 200 Abstimmungen im Bundestag zusammengetragen, studiert und kategorisiert. Acht Monate beschäftigten sich die beiden Doktoranden der Universität Rostock mit Abstimmungsergebnissen, Bundestagsdrucksachen und der Programmierung der Internetseite. Am 15. August ging DeinWal.de schließlich online und hat seitdem schon große Wellen in den sozialen Netzwerken geschlagen.

Die Idee für ein paar Minuten Abgeordneter zu sein und über komplizierte Anträge zu entscheiden, ist in der Tat originell. DeinWal verschafft den Wählern damit einen ganz neuen Zugang zu politischen Themen. Die tatsächlichen Abstimmungsergebnisse der Parteien im Bundestag sind in der Regel gut dokumentiert (z.B. bundestag.de/abstimmung). Es ist aber eine Herausforderung, die Beschlüsse der verschiedenen Parteien zu sichten und mit der eigenen Einstellung zu vergleichen. Mit dem Portal von DeinWal haben die beiden Macher eine einfache und informative Möglichkeit zur Beurteilung der etablierten Parteien geschaffen. Dabei soll DeinWal nicht nur Erstwählern helfen, sich in der politischen Landschaft zu orientieren, sondern auch denjenigen, die ihre letzte Wahlentscheidung oder ihre Parteiverbundenheit auf die Probe stellen wollen.

Bei der Entwicklung haben Tom und Martin hohe Priorität auf den Datenschutz ihrer Nutzer gelegt. Die Webseite wurde so gestaltet, dass das Quiz ausschließlich im Browser stattfindet. Im Kontrast zu den meisten anderen Ansätzen werden die Eingaben der Nutzer nie wieder zurück zum Anbieter gesendet - eine Profilbildung ist also bewusst ausgeschlossen.

Martin und Tom betonen jedoch, dass DeinWal nicht als einzige Informationsquelle zur Bundestagswahl benutzt werden sollte. Denn Abstimmungsergebnisse spiegeln nicht zwingend die Überzeugungen der Parteien wieder, sondern beruhen im Fall der Koalitionspartner SPD und CDU/CSU oft auf Kompromissen. Außerdem kann DeinWal nur die Parteien berücksichtigen, die in den vergangenen vier Jahren im Bundestag vertreten waren. Trotzdem ist DeinWal eine schnelle und bequeme Möglichkeit, sich mit der Politik der letzten vier Jahre auseinanderzusetzen und zu überprüfen, wie die Parteien die eigenen Interessen im Bundestag vertreten haben.

Martin und Tom kennen sich vom Lehrstuhl für Systembiologie und Bioinformatik der Universität Rostock. Die beiden gehören keiner Partei an und werden nicht finanziert.
Text: WOLFGANG THIEL (Quelle: Homepage Universität Rostock)

Kontakt:

Martin Scharm
Universität Rostock
Tel:: 498 7574
martin.scharmuni-rostockde


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